Vaginales Mikrobiom und HIV-Infektion

Eine Dysbiose der vaginalen Bakterienflora ist ein Schlüsselfaktor bei vaginaler Entzündung, für die Integrität der epithelialen Barriere sowie für die Akquisition einer HIV-Infektion. Nichole Klatt, University of Washington, stellt bei der 25. CROI 2018 aktuelle Befunde zum Einfluss des vaginalen Mikrobioms auf die HIV-Übertragung vor.

Vaginale Dysbiose und bakterielle Vaginose erhöhen Risiko einer HIV-Infektion

Eine Dysbiose der vaginalen Bakterienflora ist ein Schlüsselfaktor bei vaginaler Entzündung, für die Integrität der epithelialen Barriere sowie für die Akquisition einer HIV-Infektion. Nichole Klatt, University of Washington, Seattle, stellte bei der 25. CROI am 6. März 2018 in Boston aktuelle Befunde zum Einfluss des vaginalen Mikrobioms auf die HIV-Übertragung vor.

Von mehr als der Hälfte an neuen HIV-Infektionen sind Frauen betroffen. Weltweit werden jede Minute zwei Frauen mit dem HI-Virus infiziert. "Das bedeutet, dass während meines 25-minütigen Vortrags 50 Frauen mit HIV angesteckt werden", erklärte Klatt. Frauen erkranken eher in jüngerem Alter. In Teilen Afrikas sind doppelt so viele Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren an AIDS erkrankt wie Männer. Die Besonderheit bei Frauen ist die Übertragung der Erkrankung von der Mutter auf das Kind. Außerdem besteht in einigen Ländern die Problematik der sexuellen Gewalt und der Ablehnung von Schutzmaßnahmen wie Kondomen. "Hinzu kommt als besondere Herausforderung, dass wir den biologischen Mechanismus, der zur Akquisition des HIV führt, bei Frauen noch nicht vollständig verstanden haben", setzt Klatt fort. 

Mikrobiom und Dysbiose

Der Begriff Mikrobiom umfasst die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze, Protisten und Archaeen sowie ihre Gene, Metaboliten und Produkte. Bei einer Dysbiose ist die mikrobielle Gemeinschaft nicht im Gleichgewicht, es fehlen Mikroorganismen oder es liegen funktionelle Änderungen vor. Mikrobielle Dysbiosen sind mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert. Das größte und am besten bekannte Mikrobiom im Körper ist das Darmmikrobiom. Störungen im Darmmikrobiom sind assoziiert z. B. mit dem Kolorektalkarzinom, Diabetes mellitus, Übergewicht, entzündlichen Darmerkrankungen, neurologischen und metabolischen Erkrankungen sowie mit der HIV-Pathogenese.

Mikrobiom in der Vagina

Die Dysbiose des vaginalen Mikrobioms spielt eine Rolle bei Vaginosen, sexuell übertragbaren Erkrankungen, Hefeinfektionen, Frühgeburten und der HIV-Übertragung. Ein normales vaginales Mikrobiom ist durch die Dominanz von Laktobazillen und einen relativ niedrigen pH-Wert gekennzeichnet. Bei Dysbiose kommt es zur Dominanz von anaeroben Bakterien wie Gardnerella, Prevotella, Mobiluncus oder Atopobium; der pH-Wert steigt, Entzündungen nehmen zu und es kommt zur Schädigung der epithelialen Barriere. Dies ist allerdings eine relativ einfache Beschreibung des vaginalen Mikrobioms und der Dysbiose, die Vorgänge sind insgesamt sehr viel komplexer. Zudem variiert die Zusammensetzung des vaginalen Mikrobioms in Abhängigkeit von der ethnischen Zugehörigkeit. 

Die bakterielle Vaginose ist eine typische Diagnose bei vaginaler Dysbiose. Sie ist der häufigste Grund für eine Vaginitis und geht mit einem Verlust an Lactobacillus spp. und einer erhöhten Diversität im vaginalen Mikrobiom einher. Die typische Antibiotikabehandlung ist nicht wirksam, es kommt häufig zu Rezidiven. 

Das vaginale Mikrobiom ist ein wichtiger Faktor bei einer HIV-Akquisition. Eine vaginale Dysbiose liegt sehr viel häufiger in Gebieten mit hoher HIV-Prävalenz vor. So befinden sich im vaginalen Mikrobiom afrikanischer Frauen oft weniger Laktobazillen und vermehrt Gardnerellen. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass eine vaginale Dysbiose und eine bakterielle Vaginose das Risiko für eine HIV-Infektion erhöhen. 

Welche Mechanismen spielen eine Rolle?

Vaginale Dysbiose ist mit Entzündung assoziiert. Zudem kann sie die Integrität der epithelialen Barriere vermindern. In der Studie des Centre for the AIDS Program of Research in South Africa (CAPRISA-004-Studie) konnte erstmals gezeigt werden, dass ein vaginales Gel mit 1 % Tenofovir im Vergleich zum Placebo das Risiko für eine Ansteckung mit HIV um 39 % reduzieren kann. 

Klatt analysierte dann mit ihrer Arbeitsgruppe die vaginale Flora von 688 Frauen, die an der CAPRISA-Studie teilgenommen hatten. Bei etwa 60 % der Frauen dominierten Laktobazillen, bei etwa 40 % Gardnerella vaginalis. Das HIV-Risiko wurde durch das Tenofovir-Gel bei den Frauen mit Laktobazillen-dominanter Vaginalflora um 61 %, bei den Frauen mit Dysbiose, also Gardnerella-dominanter Flora nur um 18 % vermindert. In der Mukosa von Frauen mit Gardnerella-vaginalis-Dominanz konnte weniger Tenofovir nachgewiesen werden. 

Weitere Untersuchungen zeigten, dass dysbiotische Bakterien Tenofovir und auch Dapivirin rascher metabolisierten. Tenofovir Alafenamid wird jedoch durch die dysbiotischen Bakterien nicht metabolisiert. Klatt wies darauf hin, dass weitere Faktoren die Wirksamkeit der Medikamente beeinträchtigen können, wie die bei Dysbiose vorliegende Entzündung.

Die Wirksamkeit von Vorsorgemaßnahmen kann vor allem dann verbessert werden, wenn das vaginale Mikrobiom verstanden wird und wenn klar ist, wie man Laktobazillen stärken und Dysbiosen verhindern kann, so das Fazit von Klatt.

Quelle:
Klatt, N. The vaginal microbiome and acquisition of HIV infection. 25. CROI, Boston, 6. März 2018, Abstract 64. http://www.croiconference.org/sessions/vaginal-microbiome-and-acquisition-hiv-infection.