Ab 2021 haben Versicherte das Recht auf eine elektronische Patientenakte, so ist es gesetzlich festgelegt. Doch der Starttermin ist möglicherweise nicht mehr haltbar. Demnach pochen Bundesjustizministerium, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesdatenschutzbeauftragte auf Datenschutz-Regelungen, die den Starttermin verzögern könnten.
Angesichts von Datenschutzbedenken des Justizministeriums hatte Spahn seine Pläne für die elektronische Patientenakte in ein "zweites Digitale-Versorgung-Gesetz" ("DVG 2") auskopplen müssen, über das sich die Ministerien aber weiterhin nicht einig sind.
Die Änderungswünsche für mehr Datenschutz sollen auch die erste Spezifikation der Gematik betreffen, die eigentlich seit dem vergangenen Jahr feststeht sowie von den Krankenkassen und ihren Industriepartnern bereits für die Entwicklung der Patientenakten angewendet wird. Sollte das "DVG 2" in seiner derzeitigen Form beschlossen werden, wäre der Starttermin für die elektronische Patientenakte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht haltbar, heißt es.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hatte das Gesundheitsministerium angekündigt, dass allein die Tests und Zulassungen durch die Gematik sechs bis acht Monate dauern würden. Die anderen Schritte würden bei einer notwendigen Änderung der ersten Spezifikation erfahrungsgemäß wohl kaum innerhalb von ein bis drei Monaten durchführbar sein, machen Fachleute deutlich.
Heike Nowotnik, IT-Chefin des AOK-Bundesverbands, sagte: "Wenn es so kommt, wie es jetzt geplant ist, und das 'DVG 2' zahlreiche Regeln der ersten Spezifikation der elektronischen Patientenakte berührt und wesentlich ändert, wird der Starttermin am ersten Januar 2021 nicht einzuhalten sein." Das sieht auch Barmer-Digitalchefin Regina Vetters so: "Sollte es jene Änderungen an der Spezifikation geben müssen, wird der Starttermin kaum noch haltbar sein."
In den Koalitionsfraktionen im Bundestag schwindet ebenfalls der Glaube an einen pünktlichen Start der Patientenakten. "Eine Verschiebung des Starts der Akte, etwa auf 2022, ist angesichts der aktuellen Verzögerungen kaum noch abwendbar", sagte SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut.
Selbst in Spahns eigener Partei gibt es Zweifel: "Das Justizministerium, das BSI und der Bundesdatenschutzbeauftragte sind gefordert, gemeinsam mit uns als Gesetzgeber den Start der elektronischen Patientenakte konstruktiv zu begleiten und nicht mit übertriebenen Datenschutz-Forderungen den Start der Akte zu gefährden", sagte CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Im Gesundheitsministerium ist man hingegen überzeugt, dass der ambitionierte Zeitplan gehalten werden kann.
Bei den geforderten Detailregelungen zum Datenschutz geht es unter anderem um das "Übertragungsprotokoll": Wann welcher Leistungserbringer auf welches Dokument in einer elektronischen Patientenakte zugegriffen hat sowie alle weiteren Ereignisse in der Akte müssen darin gespeichert werden. Im "DVG 2" könnte festgelegt werden, dass die Speicherung mindestens zwei Jahre bestehen bleiben muss.
Ein weiterer Punkt: Wenn PatientInnen ÄrztInnen Zugriff auf die elektronische Patientenakte erteilen, haben die Behandler laut Voreinstellung 28 Tage Zugriff auf die Daten – so steht es bislang in der Spezifikation. Justizministerium und Co wollen nun offenbar festlegen, dass dies nur sieben Tage sein sollen.