Ein implantierter Defibrillator rettet Leben, kann aber oft auch Ängste auslösen – eine Würzburger Studie zeigte nun, wie PatientInnen im Internet lernen, damit besser zu leben. Die Lösung: ein sechswöchiges, moderiertes Internet-Training mit Hilfe zur Selbsthilfe.
Die Angst vor dem Schock ist bei vielen Patienten mit einem implantierten Kardioverter-Defibrillator (kurz ICD) sehr groß. Zum einen, weil der heftige Stromschlag in der Brust schmerzhaft sein kann, zum anderen weil man ohne ihn möglicherweise tot wäre. Dass ein Defibrillator die Angst beim Patienten verstärken kann, haben Würzburger PsychologInnen bereits wissenschaftlich belegt. Auch, dass eine telefonische Betreuung diese Angst mildern kann.
Nun haben die PsychologInnen der Universität Würzburg gemeinsam mit Kardiologen vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) eine moderne, unkomplizierte und vor allem nachhaltige Lösung gefunden, wie man das Leben von Herzkranken, bei denen der Defibrillator zu erheblichen psychischen Problemen geführt hat, langfristig verbessern und Ängste sowie die häufig damit einhergehende Depression nachweislich reduzieren kann: ein sechswöchiges, moderiertes Internet-Training mit Hilfe zur Selbsthilfe.
Seit Jahren schon empfehlen die Leitlinien, herzkranke PatientInnen auf eine depressive Belastung zu screenen. Bislang fehlten aber nachhaltige und vor allem im klinischen Alltag realisierbare psychologische Interventionen, um den PatientInnen nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch zu helfen. Eine Internetintervention hat nicht nur nachhaltige Erfolge gezeigt, sondern sie lässt sich auch einfach in Kliniken implementieren. Es ist eine moderne Form, mit der viele PatientInnen erreicht werden.
Für die Studie wurden mehr als 1.200 PatientInnen in Würzburg und sechs weiteren Zentren gescreent. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war ein implantierter Defibrillator sowie eine erkennbare und messbare psychische Belastung. Außerdem sollten alle Studienteilnehmer dem Internet gegenüber aufgeschlossen sein. Überraschenderweise war das gar kein Problem. Die meisten PatientInnen in der Altersgruppe um 65 Jahre kannten sich mit dem Internet erstaunlich gut aus.
118 PatientInnen nahmen schließlich an der Studie teil. Während die Hälfte von ihnen Teil einer randomisierten Kontrollgruppe ohne Internetintervention war, nahm die andere Hälfte in Gruppen zwischen 10 und 20 Teilnehmern an einer sechswöchigen moderierten Webschulung teil. Mit einem Passwort konnten sie sich ab einem bestimmten Stichtag anonym einloggen. Die TeilnehmerInnen durften Fragen stellen, sich mit den anderen in einem Diskussionsforum unterhalten, mussten aber auch an den wöchentlichen Schwerpunktthemen, die sukzessive freigeschaltet wurden, interaktiv teilnehmen.
Nachdem in der ersten Woche das System erklärt wurde, stand in der zweiten Woche der Defibrillator im Fokus, wie funktioniert er, was darf ich. Die PatientInnen offenbarten dabei enorme Wissenslücken, aus denen wiederum Ängste entstehen. In der dritten Woche ging es um Depressionen, wie sie entstehen, wie die Betroffenen damit umgehen. Die vierte Woche war auf Ängste fokussiert. Wichtige Themen sind hier zum Beispiel die Vorbereitung auf die letzte Lebensphase und das Lebensende. Was passiert mit dem Defibrillator, wenn ich sterbe? Sollte ich ihn irgendwann abschalten lassen? Unsicherheiten zu reduzieren, etwa in Form von Patientenverfügungen, ist hier ein wichtiger Schritt. Denn wer grübelt, steigert die Angst und verschlechtert die Lebensqualität. Die fünfte Woche war vergleichbar mit einem Werkzeugkasten, aus dem sich jeder Patient / jede Patientin individuell das passende herausnehmen konnte. Welche Methoden helfen beim Umgang mit Stress? Wo bekomme ich Hilfe, die über das Forum hinausgeht? Wie kann ich ein eigenes Krankheitsmanagement betreiben? In der sechsten und letzten Woche ging es darum, diesen individuellen Fokus zu vertiefen, die eigene Agenda zu definieren und um deren Umsetzung im Alltag.
Der psychische Status der PatientInnen wurde vor und nach der sechswöchigen Schulung erfasst und ein Jahr später erneut beurteilt. Ergebnis: Bereits direkt nach der Schulung zeigte sich, dass die TeilnehmerInnen von der Schulung profitierten. Eine leichte Verbesserung der psychischen Belastung war aber auch bei PatientInnen zu erkennen, die nicht an der Webschulung teilgenommen hatten. Eventuell hat bereits die Zuwendung im Rahmen des Rekrutierungsgesprächs den PatientInnen geholfen. Nach einem Jahr standen die geschulten PatientInnen jedoch deutlich besser da als diejenigen ohne Behandlung, die eine starke Rückkehr zu Angst und Depression aufwiesen. Die webbasierte Schulung eröffnet hingegen einen praktikablen Weg, die Lebensqualität von psychisch belasteten herzkranken PatientInnen nachhaltig zu verbessern.