Forscherinnen und Forscher haben im Gehirn einen Proteinkomplex identifiziert, der fehlgefaltete Proteine markiert, von schädlichen Interaktionen mit anderen Proteinen in der Zelle abhält und sie zur Entsorgung bringt. Die Neuentdeckung hört dabei auf den schlanken Namen "Linear Ubiquitin Chain Assembly Complex", kurz LUBAC.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass der Proteinkomplex LUBAC Signalwege der angeborenen Immunantwort reguliert, die über den Transkriptionsfaktor NF-kB vermittelt werden. Beispielsweise kann LUBAC rekrutiert werden, um an Bakterien in den Zellen zu binden, dort NF-kB zu aktivieren und so die Immunantwort in Gang zu bringen.
"Unsere Studie zeigt eine bisher unbekannte Rolle des LUBAC-Systems", sagte Konstanze Winklhofer, die Mitglied im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz Resolv, ist. "Scheinbar erkennt LUBAC fehlgefaltete Proteine als gefährlich, markiert sie mit linearen Ubiquitin-Ketten und macht sie dadurch unschädlich für Nervenzellen." Anders als die Reaktion auf Bakterien ist diese Funktion von LUBAC unabhängig vom Transkriptionsfaktor NF-kB.
Aggregate fehlgefalteter Proteine sind für Zellen toxisch, weil sie verschiedene Prozessen stören. Unter anderem besitzen sie eine interaktive Oberfläche, die andere für die Zelle essenzielle Proteine bindet und diese so außer Gefecht setzt. Das stört die Funktion der Nervenzellen, sie sterben ab.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten den oben beschriebenen Mechanismus am Beispiel des Proteins Huntingtin aufklären, dessen Fehlfaltung zu Chorea Huntington führt. Das Anheften von linearen Ubiquitin-Ketten an aggregiertes Huntingtin schützt die Aggregate vor unerwünschten Interaktionen in der Zelle, und sie können leichter abgebaut werden. Bei Huntington-Patienten ist das LUBAC-System allerdings gestört, wie das Team zeigen konnte.
Die Schutzwirkung von LUBAC beschränkt sich nicht auf Huntingtin-Aggregate. Die Forscher fanden lineare Ubiquitin-Ketten auch an Proteinaggregaten, die bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen, zum Beispiel der Amyotrophen Lateralsklerose.
"Das Anheften der linearen Ubiquitin-Ketten ist ein hoch spezifischer Prozess, da nur ein einziges Protein – nämlich eine LUBAC-Komponente – diesen Prozess vermitteln kann", erklärte Winklhofer weiter. "Daraus können am Ende sogar Strategien für neue therapeutische Ansätze entstehen."
In künftigen Studien will das Team kleine Moleküle identifizieren, die die lineare Ubiquitinierung beeinflussen können, und testen, ob diese positive Effekte auf die Neurodegeneration haben. Bis zur Entwicklung eines Medikaments sei es aber noch ein weiter Weg.