Anja Walter-Kroker hat in der Internisten-Praxis ihres Mannes fast 20 Jahre lang Patienten in Ernährungsfragen beraten. "Doch damit habe ich nichts verdient», berichtet die Medizinerin aus dem Raum Koblenz. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie sogar über den Zusammenhang von Mangelernährung und Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) geforscht. Zwar war die Familie immer ihr Mittelpunkt, trotzdem arbeitete die dreifache Mutter seit ihrem Facharzt auch immer wieder in ihrem Beruf. Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes will die 55-Jährige nun als angestellte Hausärztin wieder einsteigen. "Ich brauche aber einen Schubser.» Denn: "Die Angst, etwas zu übersehen bleibt, wenn man nicht jeden Tag arbeitet."
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Ernährungsmedizinerin ist eine von 40 Teilnehmern eines landesweiten Wiedereinstiegkurses für Mediziner in Mainz - organisiert von der Akademie für Ärztliche Fortbildung und der Landesärztekammer. Die allermeisten Teilnehmer sind Frauen. "Es tut gut, zu sehen, dass die anderen in einer ähnlichen Situation sind», berichtet Walter-Kroker am ersten von fünf Tagen. «Die Hemmschwelle wird einem hier genommen."
Am ersten der von der Landesregierung finanzierten Kurse vor rund zwei Jahren hatten nur 28 Mediziner teilgenommen, wie Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) zu Beginn sagt. Mindestens ein Viertel von ihnen sei anschließend in eine Praxis zurückgekehrt.
Vorträge und praktische Übungen stehen auf dem Programm des Kurses. Die Themenpalette reicht von Kinder- und Jugendmedizin bis zu Demenz und Altersmedizin. Schlaganfall und Schmerzen, Infektionen und Impfen sowie Diabetes und Depressionen werden auch behandelt. Antibiotika-Therapie und Herzkrankheiten gehören ebenso dazu wie Betriebswirtschaft, Misshandlung und Leichenschau. Zudem hätten diesmal 45 Hausarztpraxen ein Angebot zur Hospitation der Wiedereinsteiger gemacht, berichtet die Ministerin.
Der Kurs sei ein ganz wichtiger Baustein, um wieder mehr Ärzte zu gewinnen, betont Bätzing-Lichtenthäler. Andere seien beispielsweise Weiterbildungsverbünde, Niederlassungsförderung, Unterstützung für Mediziner-Genossenschaften, Beratungsangebote sowie die Landarztquote. Als zweites Bundesland führt Rheinland-Pfalz diese ein, heißt es im Ministerium. Bis zu zehn Prozent der Medizin-Studienplätze sollen danach an Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten im Anschluss an das Studium ihren Allgemeinmediziner zu machen und Gebieten anzufangen, die unterversorgt oder von der Unterversorgung bedroht sind.
Zwar habe es noch nie so viele Mediziner gegeben, trotzdem gebe es einen relativen Ärztemangel, sagte der Präsident der Landesärztekammer, Günther Matheis. Um einen ausscheidenden Hausarzt zu ersetzen, seien 1,5 Stellen notwendig, denn die meisten Ärzte wollten nicht mehr rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr arbeiten.
Die Landesregierung habe die Zeichen der Zeit jedoch lange erkannt. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Matheis. Am wichtigsten sei die geplante Ausweitung der Studienplätze. Um 13 Prozent auf 440 bis 450 pro Jahr sollen sie in der laufenden Legislaturperiode steigen, wie der Sprecher des Wissenschaftsministeriums, Markus Nöhl, berichtet.
Bis 2023 müssten 59 Prozent der rund 2700 Hausarztsitze neu besetzt werden, berichtet die zweite Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, Barbara Römer. Und richtet sich direkt an die potenziellen Wiedereinsteiger: "Das sind 1600 - und Sie sind hier jetzt 40. Sie haben alle eine Jobgarantie."
Walter-Kroker hat auch schon einige Angebote, ist sich aber noch nicht sicher, wie viel sie arbeiten will, ohne sich zu überfordern. "Früher musste man darum betteln, dass man Überstunden machen darf, damit man überhaupt irgendwo rein kommt", erinnert sie sich an die Zeit, in der sie ausgebildet wurde. "Heute wird man angeschrieben und gefragt, willst Du nicht wieder?"