Der Weg zur Publikation einer wissenschaftlichen Arbeit kann lang und steinig sein. Als federführender Herausgeber der Zeitschrift "Der Nervenarzt" und Editor-in-Chief des open access online Journals "Neurological Research and Practice" kann Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Werner Hacke, Seniorprofessor für Neurologie an der Ruprecht Karls Universität Heidelberg, das genau beurteilen. In einer vor allem an junge Neurolog:innen gerichteten Session mit dem Titel "Painful Publishing: Fragen zum Veröffentlichen und die Antwort von Editoren" beantwortet er auf dem DGN 2021 die am häufigsten an Herausgeber:innen wissenschaftlicher Zeitschriften gestellten Fragen – nicht ohne Humor und schonungslose Ehrlichkeit.
Einleitend geht Prof. Hacke auf das Thema Cover Letter ein. Dieser sei ein Standard, sollte in den Augen des Referenten allerdings nicht in seiner Bedeutung überschätzt werden. Wird ein Cover Letter verfasst, sollte eine Hauptmessage klar zu erkennen sein und eventuell ein Satz darüber, was wirklich neu an der Arbeit sei. Keinesfalls sollten im CL zu viele Details genannt werden. "Ich lese ihn nur selten und gehe sofort zum Abstract", gibt der Editor zu verstehen. Zudem werde immer wieder versucht, einen zusätzlichen persönlichen Brief zu schreiben, wenn man die Editorin oder den Editor kennt. Dies helfe allerdings nur sehr selten, bei großen Journalen wie den Lancet oder dem NEJM führe der Schritt zu Interessenskonflikten und andere Editor:innen müssten mit der Betreuung beauftragt werden, betont Hacke. Anders sehe die Rolle von Cover Lettern bei Revisionen aus: Hier müsse sehr detailliert auf Kritikpunkte eingegangen werden, Lösungen bereits präsentiert werden und alles enthalten sein, was auch in der revidierten Fassung eingebaut oder gestrichen ist.
Anschließend befasst sich der Referent mit dem Inhalt einer Submission. Hier, so Hacke, gehöre alles rein, was Journale in ihrem Author Instructions verlangen. Oft werde versucht, eine Erhöhung der Wortzahl in Abstract und Text zu erzielen oder mehr Abbildungen, Tabellen oder Referenzen einzubauen, davon sollte man allerdings dringend absehen. Besonders Deutsche – so der Editor – würden oft dazu neigen, sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache langatmige Texte zu verfassen. Language Editing sei in vielen Fällen ein wundersames Werkzeug, um hier entgegenzusteuern. Außerdem sollte nichts ergänzt werden, was man selbst wichtig findet, aber gar nicht verlangt werde. Viele große Verlage prüfen dies, bevor Editor:innen überhaupt die Submission sehen.
Besonders wichtig laut Prof. Hacke: "Unbedingt das Englisch prüfen!" Besonders in englischen, aber auch in deutschen Publikationen sei es immer gut, Native Speaker über den Text schauen zu lassen – dabei sollte man aber auch im Hinterkopf behalten, dass nicht jeder Native Speaker automatisch gut sei.
Weiterführend erläutert Prof. Hacke in seinem Vortrag, wie es zu direkten Editorial Decisions kommt. Oftmals werde etwa das Instrument “reject before peer review” eingesetzt. Das habe mit einer Schonung der Ressourcen zu tun: Gute Reviewer:innen seien schwer zu finden, diese sollten nicht bei schlechten Arbeiten "verbraten" werden. Am häufigsten werden Arbeiten aus diesem Grund abgelehnt, zitiert der Referent Hughes Markus, wenn das Thema langweilig sei oder wenig Aussagekraft habe, nichts Neues aufweise oder die Studiengruppe zu klein sei. Außerdem seien eine fehlende Validierung in einer zweiten Studienkohorte, schlechte Methodologie oder zum Journal unpassende Inhalte häufige Gründe für eine Ablehnung. Überhaupt seien die Ablehnungsraten bei vielen Journals hoch:
Gelangt eine Publikation bis zum Review-Prozess, sind Gutachten von entscheidender Bedeutung. Manche Journals verlangten dabei 4 bis 5 Gutachter:innen. Bei Neurological Research and Practice hingegen werden im Regelfall zwei Gutachten erstellt, eine dritte Meinung werde lediglich mit einbezogen, wenn diese beiden Gutachten konträr ausfallen. Manchmal übernehme er diese Rolle selbst, betont Hacke, oftmals handele es sich bei solchen Fällen allerdings um Themen, wo er selbst keine valide Beurteilung geben könne und daher eine weitere Spezialistin oder einen weiteren Spezialisten einbezieht.
Ein ablehnendes Gutachten oder zwei gravierende "major revisions" führten meist zur Ablehnung einer Arbeit. Manche gute Arbeiten werden jedoch trotz guter Reviews abgelehnt: In diesen Fällen könne es dann vorkommen, dass Faktoren wie Aktualität, allgemeine Bedeutung, erwartete Ziele oder augenblickliche medico-politische Wellen gegen eine Veröffentlichung der Publikation sprechen. Ein aktuelles Beispiel: Derzeit bekäme man viele COVID-bezogene Themen unter, die früher nicht veröffentlicht worden wären. Folgende Hürden können laut Hacke aber auch bei exzellenten Manuskripten mit positiv klingenden Reviews eine Veröffentlichung ausbremsen:
Abschließend betont Prof. Hacke, man sollte unbedingt Reviewer:innen für die eigene Arbeit vorschlagen. Dabei sollte man allerdings nicht solche nennen, mit denen man bereits selbst gearbeitet hat, sondern lieber Reviewer:innen, mit denen man über den Themenbereich bereits diskutiert hat oder auch solche, die sich schon sachlich kritisch geäußert hätten und deren Argumente in die Arbeit eingebaut wurden. Man solle aber auch dringend betonen, welche Gutachter:innen man nicht haben möchte, etwa wenn in der Vergangenheit bereits schlechte Erfahrungen gemacht wurden. Grundsätzlich könne man auch Entscheidungen "challengen", dabei sollte man allerdings laut dem Editor vorsichtig sein: Ein "Rebuttal" etwa helfe nur sehr selten und man werde schnell als Nörgler:in abgestempelt. Im Falle eines wirklich bösartigen oder inhaltlich falschen Gutachtens könne man aber dennoch dem Editor-in-Chief schreiben und betonen, dass man keine Neubewertung anstrebe, sondern darauf hinweisen wolle, wie voreingenommen und fachlich falsch ein Gutachten ausgefallen ist, um künftigen Autor:innen diese Erfahrung zu ersparen.
Quelle: DGN Kongress 2021, Berlin: Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Werner Hacke: Painful Publishing: Fragen zum Veröffentlichen und die Antwort von Editoren