Wochenrückblick: Bundesweiter Start der ePA und weitere Gesundheitsentwicklungen

Der Start der elektronischen Patientenakte verschiebt sich auf den 29. April. Zusätzlich stehen Gesundheitsziele 2030, COPD-Prävalenz und Gesundheitsausgaben im Fokus.

ePA startet am 29. April bundesweit

Mit gut zweieinhalbmonatiger Verspätung soll die elektronische Patientenakte ab dem 29. April bundesweit zunächst freiwillig von Patienten, Ärzten und Krankenhäusern genutzt werden können, bevor sie ab dem 1. Oktober für Leistungserbringer verpflichtend eingesetzt werden muss. Patienten können jederzeit die Nutzung beenden; von der Widerspruchsmöglichkeit haben allerdings bislang nur etwa fünf Prozent der GKV-Versicherten Gebrauch gemacht. Die KBV und der Deutsche Hausärzteverband haben die freiwillige und stufenweise Einführung begrüßt. Neben dem Schließen der in der regionalen Testphase noch offenbar gewordenen Sicherheitslücken sei nun das reibungslose Funktionieren in der Praxis entscheidend, betont die KBV. Perspektivisch sieht der Hausärzteverband ein wachsendes Potential, die Versorgung zu verbessern – mit einem fulminanten Start sei aber nicht zu rechnen. Vieles funktioniere technisch noch nicht ausreichend, außerdem informierten die Kassen ihre Versicherten zu wenig. Die Hauptlast liege bei den Hausärzten. Bis die ePA zur verpflichtenden Nutzung durch Ärzte im Herbst tadellos laufe, hätten Softwarehäuser und gematik noch viel Arbeit vor sich.

ECDC: Gesundheitsziele für 2030 in Europa kaum noch erreichbar

Die meisten Länder in Europa sind auf keinem erfolgreichen Weg, die von den Vereinten Nationen angestrebten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Das gilt insbesondere auch für das Unterziel, bis 2030 vermeidbare Infektionskrankheiten wie Aids, HIV, Hepatitis und Tuberkulose zu eliminieren. Dies geht aus Erhebungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Stockholm hervor; damit wird festgestellt, inwieweit die europäischen Länder die für 2025 angestrebten Zwischenziele erreicht haben. Danach führen Hepatitis, HIV, Tuberkulose und sexuell übertragene Infektionen zuletzt zu 57.000 Todesfällen im Jahr. Die Daten zeigten, dass die meisten Länder Gefahr laufen, die UN-Ziele bis 2030 nicht zu erreichen. Einige Länder verfügen nicht einmal über die Datengrundlagen, die Erreichung der angestrebten Ziele zu messen. Die geschätzte Inzidenz für HIV und Tuberkulose sei zwar rückläufig, verfehle aber das Zwischenziel für 2025. Für Virushepatitis und sexuell übertragbare Krankheiten seien die Inzidenzdaten nicht vollständig. Allerdings sei die Zahl der Diagnosen von Gonorrhoe, Syphilis und akuter Hepatitis B in vielen EU- und EWR-Ländern gestiegen.  

WIdO-Gesundheitsatlas: COPD-Prävalenz sinkt deutlich

Die Prävalenz von COPD bei Menschen über 40 Jahren ist zwischen 2017 und 2023 von 3,39 auf 3,23 Millionen Menschen und damit der Anteil in der Altersgruppe von 7,4 auf 6,7 Prozent gesunken. Absolut liegt der Rückgang bei 160.000 Betroffenen. Dies geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen hervor. Als wesentliche Ursache identifizieren die Autoren den langfristig zunehmenden Verzicht auf das Rauchen und die Verschärfungen von Rauchverboten im öffentlichen Raum. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen in Bezug auf die Vermeidung von COPD lässt sich dabei auch aufgrund unterschiedlicher regionaler Raucheranteile in der Bevölkerung und den damit zusammenhängenden unterschiedlichen COPD-Prävalenzen zeigen. Ein weiterer Faktor für die Entstehung von COPD sind mangelnde Luftqualität und Feinstaubbelastungen. Dies führe in Großstädten zu einer erhöhten COPD-Prävalenz. Aufgrund der Daten mit Regionalbezug ermöglicht der Gesundheitsatlas Kommunal- und Regionalpolitikern, gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltqualität zu entwickeln. 

Destatis erwartet für 2024 starken Anstieg der Gesundheitsausgaben

Nachdem im Jahr 2023 die Gesundheitsausgaben in Deutschland auf einem Niveau von insgesamt 500,8 Milliarden Euro stagniert haben, erwartet das Statistische Bundesamt für 2024 einen kräftigen Ausgabenanstieg um 7,5 Prozent auf 538 Milliarden Euro. Ursächlich für die Stagnation in 2023 sei das Auslaufen einer Reihe Pandemie-bedingter Ausgaben gewesen, die primär aus öffentlichen Haushalten finanziert worden sind. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag bei zwölf Prozent. Pro Kopf der Bevölkerung wurden 6013 Euro ausgegeben. Zu den Gesundheitsausgaben zählen Güter und Leistungen, die zur Behandlung und Pflege sowie für Prävention und Rehabilitation ausgegeben werden, nicht jedoch Lohnersatzzahlungen. Der Anteil der ambulant erbracht Leistungen lag bei 48 Prozent der Gesamtausgaben. Wichtigster Ausgabenträger ist die gesetzliche Krankenversicherung (56 Prozent), gefolgt von den Privathaushalten (12 Prozent).

Internistenkongress fokussiert auf Resilienz

Der von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) organisierte 131. Internistenkongress, der vom 3. bis 6. Mai in Wiesbaden stattfindet, widmet sich unter dem Motto „Resilienz – sich und andere stärken“ wachsenden Herausforderungen im Gesundheitswesen und im gesellschaftlichen Zusammenleben. Dabei geht es um die Analyse und Antworten auf den zunehmenden Fachkräftemangel und die wachsende Belastung medizinischer Berufe, die Einflüsse von Umwelt und Klimawandel auf die Gesundheit sowie die Bewältigung der Folgen von Krisen und Kriegen. Dazu hat die DGIM „Ärzte ohne Grenzen“ als Kooperationspartner gewonnen. Auch der am Samstag stattfindende Patiententag steht unter dem Motto „Resilienz“: Zusammen mit der Stadt Wiesbaden werden die Themen Gesundheits- und Notfallkompetenz von Laien sowie der Umgang mit internetbasierter Gesundheitsinformation auf der Tagesordnung stehen. Anlässlich des Patiententages startet die Stadt Wiesbaden mit der Eröffnung eines Gesundheitskioskes als niedrigschwellige Gesundheitsfürsorge für Menschen in sozialen Brennpunkten, die bislang medizinisch unterversorgt sind.

Darüber hinaus thematisiert der Kongress typisch internistische Problemstellungen, darunter insbesondere auch die chronische Nierenkrankheit als eine der am wenigsten wahrgenommenen Volkskrankheiten. Besonders kritisch wird dabei das erhebliche Ausmaß von Unterdiagnostik gesehen, so Kongresspräsident Professor Jan Galle: Nur bei 45 Prozent der Risikopatienten wird der Serumkreatininwert erhoben, bei nur 7,9 Prozent ein Harnstreifentest durchgeführt und bei nur 0,4 Prozent der UACR bestimmt. Als einen wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Versorgung sieht Galle die im Dezember von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin verabschiedete S3-Leitlinie zur Früherkennung und Behandlung der chronischen Nierenkrankheit, die unter Beteiligung der DGIM entstanden ist. Insbesondere innovative Arzneimittel wie SGLT-2-Inhibitoren, nicht steroidale Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten und eine neue Generation von GLP-2-Rezeptoragonisten ermöglichten es, sowohl die Nierenfunktion zu erhalten als auch das kardiovaskuläre Risiko zu senken.

EU-Kommission lässt Lecanemab zu

Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und des Ausschusses für Humanarzneimittel hat die EU-Kommission in der Woche vor Ostern den Wirkstoff Lecanemab zugelassen. Es ist das erste Arzneimittel, das eine kausale Behandlung von frühen Alzheimer-Stadien ermöglicht und dabei den Krankheitsverlauf moderat verzögert. Lecanemab ist in den USA bereits zugelassen. Maßstab für die Wirksamkeit des Medikaments war die Veränderung der kognitiven und funktionellen Symptome nach 18monatiger Behandlung. Bevor das Arzneimittel zur Verfügung steht, muss der Hersteller entsprechend der Zulassungsauflagen Schulungsmaterial für Ärzte erarbeiten und ein Beobachtungsregister anlegen. Aufgrund von Anwendungsbeschränkungen wird nach Einschätzung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in Deutschland nur ein sehr kleiner Teil der 1,2 Millionen Alzheimer-Patienten von dem Medikament profitieren: etwa 20.000. Die Jahresstherapiekosten in den USA liegen – ohne Diagnostik und begleitende Behandlung – bei etwa 23.000 Euro. In Deutschland wird auf Basis einer frühen Nutzenbewertung ein Erstattungsbetrag ausgehandelt. 

Rabattverträge für Generika konterkarieren Gesetzesziele

Nach wie vor geltende Rabattverträge verhindern, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen (ALBVVG) seine Wirksamkeit entfalten kann. Zweck des Gesetzes war es, die angespannte Marktsituation insbesondere bei Kinderarzneimitteln und generischen Krebsarzneimitteln wie Tamoxifen sowie immer wiederkehrende Liefer- und Versorgungsengpässe zu verhindern. Dazu können laut Gesetz die Festbeträge für definierte Arzneimittelgruppen um bis zu 50 Prozent angehoben werden. Zuletzt ist dies Mitte April durch den GKV-Spitzenverband für patentfreie Onkologika geschehen. Der Branchenverband Pro Generika sowie bedeutende Hersteller monieren allerdings, dass diese Maßnahme ohne Wirkung für die Hersteller bleibt, weil sich de facto an der realen Preissituation für die Unternehmen aufgrund nach wie vor gültiger Rabattverträge nichts ändert. Anders, so das Bundesgesundheitsministerium, sei die Situation bei neu abgeschlossenen Rabattverträgen: Sie müssen laut Gesetz Arzneimittel aus europäischer Produktion berücksichtigen. Bislang hat das Gesetz nach einer Umfrage von Pro Generika unter seien Mitgliedsunternehmen keine Erweiterungsinvestitionen am Standort Europa ausgelöst. 

Trumps Zollpolitik: Sind auch Arzneimittel betroffen?

Trumps Zollpolitik könnte für die Kosten und Verfügbarkeit von Arzneimitteln als einer der am stärksten globalisierten Produktgruppe zu einem ernsten Risiko werden. Das gilt insbesondere für die Versorgung mit innovativen patentgeschützten Arzneimitteln, bei der die USA und Europa führend sind und bislang über Jahrzehnte einen engen Austausch praktiziert haben: Dies gilt einerseits für die Zulassung nach sehr ähnlichen Bedingungen für die USA und Europa durch die FDA und die EMA und andererseits für die in hohem  Maße arbeitsteiligen hochspezialisierten Produktionsprozesse. Wie groß das Ausmaß internationaler Arbeitsteilung ist, lässt sich an der Relation von Pharma-Produktionswert zum Außenhandelswert für exportierte und importierte Arzneimittel erkennen: So ist das Außenhandelsvolumen mit Arzneimitteln für Deutschland um ein Vielfaches höher als der Produktionswert – ursächlich dafür ist, das ein Arzneimittel im Zuge eines viele Schritte umfassenden Produktionsprozesses mehrfach die deutsche Grenze quert und dabei  jedes Mal als Import und Export erfasst wird. Bislang sind verschreibungspflichtige Arzneimittel im Handel zwischen den USA und Europa beiderseits von jeglichen Zöllen befreit. Sollte Trump dies ändern, könnte das derzeit schwer kalkulierbare Folgen etwa für den Import von Lizenzen der US-Forschung nach Europa und dem Re-Import fertiger Produkte in die USA haben. 

Allerdings haben die Amerikaner bislang im Vergleich zu den Europäern einen erheblichen Nachteil – und der spielt Trump in die Hände, so der Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Bill Anderson, ein gebürtiger US-Amerikaner in einem Interview mit dem Handelsblatt: Traditionell werden auf dem US-Markt und auf Kosten der dortigen Versicherten und Bürger die weltweit höchsten Arzneimittelpreise realisiert.  Das heißt, dass US-Amerikaner den relativ höchsten Anteil zur Erforschung und Entwicklung innovativer Arzneimittel leisten – und dass die Europäer je nach Ausgestaltung ihrer nationalen Erstattungsbedingungen zum Discountpreis auf dem Trittbrett gefahren sind.  Anderson: „Europa sollte großes Interesse haben, Forschung und Entwicklung von Medikamenten stärker anzulocken und auszubauen… Das funktioniert aber nicht mit Discountpreisen.“