Wochenschau Gesundheitspolitik: 830 Millionen Euro für Beschaffung neuer COVID-19-Impfstoffe
Beschaffung neuer COVID-19-Impfstoffe und die Vorlage einer Strategie der G7-Gesundheitsminister gegen Pandemien und Antibiotikaresistenzen: diese und weitere gesundheitspolitische Entscheidungen in der KW 20.
Bundeskabinett: 830 Millionen Euro für Impfstoffe im Herbst
Die Bundesregierung hat weitere 830 Millionen Euro für die Beschaffung neuer Impfstoffe gegen COVID-19 genehmigt. Dies hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach der Sitzung des Bundeskabinetts mitgeteilt. Neben dem bereits beschafften Impfstoff gegen die Wuhan- und Delta-Variante sollen im Herbst auch ein von BioNTech weiterentwickelter Impfstoff speziell gegen die Omikron-Variante sowie ein von Moderna geplanter bivalenter Impfstoff zur Verfügung stehen. Die Bürger sollen die freie Wahl haben, welchen der zur Verfügung stehenden Impfstoffe sie präferieren. Von allen drei Varianten seien ausreichende Mengen bestellt worden, um den erwarteten Bedarf zu decken, versicherte Lauterbach. Das bedeutet aber auch, dass am Ende ein Großteil der bestellten Impfstoffe verworfen werden müsste.
Ferner hat das Bundeskabinett die Weiterführung der Impfzentren beschlossen. Dafür werden den Ländern monatlich 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Geplant ist ferner eine erneute Impfkampagne, um die Bevölkerung zur Nutzung zu animieren. Entsprechend der Forderung der Gesundheitsminister der Länder werde der Bund das Infektionsschutzgesetz zum Herbst rechtzeitig anpassen. Die Details dazu würden in der Koalition beraten, versicherte Lauterbach.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungsgemäß
Mit Beschluss vom 27. April hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen unter anderem von Angehörigen der Pflegeberufe gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen. Als wesentlichen Grund betonen die Richter den Vorrang des Schutzes besonders vulnerabler Menschen.
Im Einzelnen führt das Gericht in dem am 19.05. veröffentlichten Beschluss aus:
- Die Regelung des Infektionsschutzgesetzes statuiere keinen Impfzwang, sondern überlasse es jedem Einzelnen, sich nach Aufklärung gegen eine Impfung zu entscheiden; eine Entscheidung gegen die Impfung sei mit der nachteiligen Folge verbunden, bei Fortsetzung der Tätigkeit mit Bußgeld und Tätigkeitsverbot rechnen zu müssen. Alternativ bleibe die Aufgabe des ausgeübten Berufs oder der Wechsel der Tätigkeit. Dieser Eingriff sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- Der Gesetzgeber verfolge den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, beruhe auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen.
- Die Pflicht zum Nachweis einer Impfung sei in verfassungsrechtlicher Hinsicht auch geeignet. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes sei eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon ausgegangen, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener infizieren und das Virus seltener übertragen können. Dies werde auch durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nicht erschüttert.
- Die Nachweispflicht sei ferner auch erforderlich gewesen; zu recht sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es keine gleich wirksame, die Beschwerdeführer weniger einschränkende Mittel gegeben habe.
- Ebenso sei die Nachweispflicht verhältnismäßig. Zwar sei die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer betroffen – dem stehe jedoch das Recht auf körperliche Unversehrtheit mit einem "überragenden Stellenwert" entgegen.
"Neben dem erhöhten Risiko, schwerwiegend oder sogar tödlich an COVID-19 zu erkranken, war die staatliche Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Personen auch deshalb in besonderem Maße aktiviert, weil diese nicht oder allenfalls eingeschränkt in der Lage sind, ihr Infektionsrisiko durch eine Impfung selbst zu reduzieren"
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das sich dabei auf die Fachwissenschaften abstützt, auch unter den Bedingungen der Omikron-Variante. (1 BvR 2649/21)
G7-Gesundheitsminister: Strategie gegen Pandemien und Antibiotikaresistenzen
Die Gesundheitsminister der G7-Staaten haben am 19. und 20.05. die Weiterentwicklung von Strategien gegen die COVID-19-Pandemie, die generelle Pandemieprävention und gegen Antibiotikaresistenten sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit beraten.
- Aktuelle COVID-19-Bekämpfung: Kapazitäten für die Verteilung von Impfstoffen, Diagnostika und Therapeutika sollen ausgebaut werden, insbesondere die Distribution "auf der letzte Meile" soll verbessert werden. Die Maßnahmen sollen dazu führen, dass die aktuelle Phase der Pandemie in diesem Jahr beendet werden kann. Bislang seien 18,3 Milliarden Dollar von den G7 bereitgestellt worden. Die globale Impfstoffproduktion soll weiter erhöht, die regionale Produktion von Impfstoffen sollen mit Schwerpunkt Afrika auf- und ausgebaut werden.
- Pandemieprävention: Vor dem Hintergrund des Klimawandels erwarten die G7-Gesundheitsminister ein steigendes Risiko für Pandemien. Sie wollen daher die Pandemieprävention, -vorsorge und –reaktion in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen stärken. Instrumente dazu sind: eine verbesserte Resilienz der Gesundheitssysteme, der Ausbau den One-Health-in-All-Ansatzes, den Ausbau der Finanzierung, der erst teilweise von der Weltbank sichergestellt ist und die Aushandlung eines WHO-Abkommens zur Pandemieprävention.
- Antibiotikaresistenzen: Inzwischen sterben aufgrund von Antibiotikaresistenzen jährlich 11 Millionen Menschen. Die G7 verpflichten sich zur Unterstützung von Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen, um die Prävention und den Zugang zu Diagnose und Behandlung zu stärken. Das Ziel, bis 2025 fünf neue Therapeutika zu entwickeln, wird bekräftigt, dazu müsste allerdings die bestehende Finanzierungslücke geschlossen werden. Zwar haben 90 Prozent der Länder einen nationalen Aktionsplan zu Antibiotikaresistenzen, aber nur 20 Prozent konnten dafür finanzielle Mittel generieren. Deshalb unterstützen die G7 die Entwicklung nationaler Investment Cases in Ländern mit niedrigem Einkommen. Die WHO soll dazu ein Kernpaket mit Kostenangaben ausarbeiten.
- Klimawandel und Gesundheit: Der Klimawandel werde zu wachsender Krankheitslast und erhöhter Mortalität führen. Die Kapazitäten des Gesundheitswesens und kritischer Infrastrukturen könnten unter Druck geraten. Die Gesundheitsminister plädieren dafür, in klimapolitische Entscheidungen grundsätzlich auch Gesundheitsaspekte im Sinne einer All-Health-Policy einzubeziehen. Dazu sollen klimarelevante Gesundheits- und Surveillancesysteme aufgebaut werden, die soziodemografische, klima- und umweltbezogene Daten mit Daten zur Gesundheit von Mensch und Tier verknüpfen. Die Bedeutung des Klimawandels und seiner Auswirkungen soll bei der Ausbildung von Gesundheitsberufen stärker beachtet werden.