Immer häufiger haben pflegebedürftige Menschen einen hochwertigen Zahnersatz im Mund. Aber in der Pflege kommt die Mundgesundheit oft zu kurz. Auch um die damit verbundenen Risiken geht es am Tag der Zahngesundheit.
Wenn ältere Menschen pflegebedürftig werden, bleibt die Zahngesundheit nach Medizinerangaben oft auf der Strecke. "Viele Verwandte sind völlig ahnungslos, was sie an Pflege machen sollen", sagt Erling Burk, Experte für Alterszahnheilkunde und Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Nordrhein. Die Zähne würden häufig als nicht mehr so wichtig erachtet, "und man vergisst, dass da eine ganze Menge mehr dran hängt".
Burk schildert das Beispiel eines leicht dementen Patienten in einem Altenheim am Niederrhein, in dem er so etwas wie der Haus-Zahnarzt ist: "Über die Monate ist der Mann immer schwieriger geworden. Extrem aggressiv, hat nicht mehr gegessen und nicht mehr getrunken." Als Burk dem alten Herrn genauer in den Mund schaute, fand er einen vereiterten Zahn. Als der raus war, "war der Mann wie neu."
Am Tag der Zahngesundheit (25. September) machen Zahnärzte bundesweit in vielen Veranstaltungen auf das Thema Mund- und Zahngesundheit bei Handicap und bei Pflegebedarf aufmerksam. In Videos wird auch Angehörigen gezeigt, wie Zahnpflege in der Pflege richtig geht. "Es wird unterschätzt, wie sich die Lebensqualität durch Mundgesundheit verbessern lässt", sagte der Vorstand der Bundeszahnärztekammer, Professor Dietmar Oesterreich. "Mit einer guten adäquaten Mundhygiene kann man für den Patienten erheblich mehr Lebensqualität gewinnen und das Erkrankungsrisiko senken."
Aber die Zahnpflege ist komplizierter geworden, meint sein Kollege am Niederrhein Burk: Die Zeit, wo alte Menschen über Nacht ihre Zahnprothese mit einer Reinigungstablette ins Glas legten, seien vorbei. "Heute kommen die Menschen teilweise voll bezahnt in die Pflege und haben hochwertigen Zahnersatz." Den zu erhalten, sei wesentlich aufwendiger.
Aus Studien ist bekannt, dass die Mundgesundheit der Älteren und Patienten mit Behinderung schlechter ist als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Nach Daten der 5. deutschen Mundgesundheitsstudie ist bei Pflegebedürftigen zwischen 75 und 100 Jahre die Zahnlosigkeit und das Auftreten von Entzündungen höher als bei Menschen, die sich noch selbstständig versorgen. Außerdem nehmen sie den Zahnarzt weniger in Anspruch.
Was aber vielen Menschen nicht klar ist: Wenn die Gesundheit im Mund nicht stimmt, kann das dramatische Konsequenzen für den Körper haben. "Die Mundhöhle ist nicht getrennt vom menschlichen Körper", sagt Oesterreich. Es gebe Verbindungen zu verschiedenen Erkrankungen.
Eine der häufigeren körperlichen Folgeschäden bei Pflegebedürftigen sei die Aspirationspneumonie: Durch die starke Vermehrung der Bakterienflora in der Mundhöhle werden Bakterien eingeatmet, die zu einer Lungenentzündung führen können. "Durch eine regelmäßige Mundhygiene in dieser Lebensphase kann dieses Risiko deutlich gesenkt werden", stellt Oesterreich fest. Anderes Beispiel: Parodontitis. "Je stärker die Parodontitis, desto schlechter kann der Zuckerwert eingestellt werden."
Seit 2014 gibt es die Kooperationsmöglichkeit zwischen Zahnärzten und stationären Pflegeeinrichtungen. Vorbehalte habe es aber auf beiden Seiten gegeben, sagt Burk. Nachdem bundesweit nur etwa jede dritte Pflegeeinrichtung fest mit einem Zahnarzt kooperiere, gebe es jetzt eine Verpflichtung zur Kooperation.
Burk beschreibt, was die Kooperation in der Praxis bedeutet: "Ich kann keine großen chirurgischen Eingriffe im Altenheim machen. Aber ich kann eine vernünftige Diagnose stellen." Für Kleinigkeiten gebe es mobile Geräte. "Die Leute sind in dem Raster drin und werden aufgefangen."