Eine hybride Beschichtung von Implantaten aus antibakteriell wirksamem Silber und einem Antibiotikum soll künftig PatientInnen vor Infektionen schützen. Das Projekt AntiSelektInfekt entstand in Zusammenarbeit mit einem Forscher-Team der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Hüft-Operationen gehören in Deutschland zu den häufigsten Eingriffen überhaupt. Doch das Einsetzen von künstlichen Gelenken ist nie ohne Risiko. Bei durchschnittlich 1-2% der PatientInnen treten nach der Operation Infektionen auf. Wird ein erneuter chirurgischer Eingriff notwendig, ist bei bis zu 4% der Fälle mit Infektionen zu rechnen1.
Zwar liegt das individuelle Risiko im unteren Prozentbereich, aufgrund der Häufigkeit solcher Operationen betrifft es aber viele PatientInnen. Die demographische Entwicklung lässt den Schluss zu, dass die Zahl der Prothesenoperationen künftig zunehmen wird. Wenn dann die verabreichten Antibiotika nicht helfen, droht ein langwieriger und schmerzhafter Verlauf. Im schlimmsten Fall muss das Implantat ersetzt werden.
Mit der neuen Beschichtung für Implantate, an der seit 4 Jahren Jahren im Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen geforscht wird, könnte das Infektionsrisiko deutlich gesenkt werden. Die hybride Beschichtung besteht aus einem antibakteriell wirksamen Silber und einem individuell auf die PatientInnen abgestimmten Antibiotikum.
Entwickelt wurde die Beschichtung zusammen mit Forschenden des Julius-Wolff-Instituts und des BIH Centrums für Regenerative Therapien (BCRT) der Berliner Charité. "Die präklinischen Studien haben bewiesen, dass die hybride Beschichtung des Implantats die Infektionsrate wirksam senkt", erklärt Prof. Britt Wildemann. Sie leitete die Studien zur Wirksamkeit und Biokompatibilität in Berlin.
Das Beschichtungsverfahren setzt auf bewährte Technologien. "Im ersten Schritt wird die Oberfläche des Titan-Implantats mit einem Laser strukturiert. Dadurch entsteht eine poröse Schicht", erklärt IFAM-Experte Kai Borcherding. Auf der Titanoberfläche entstehen winzige Vertiefungen, mit einer Größe im Mikrometerbereich. Diese sind amphorenförmig, oben eng, nach unten weit. Durch Dampfphasenabscheidung wird im zweiten Schritt eine Schicht mit Silberpartikeln aufgebracht.
Bei der Operation können diese amphorenförmigen Poren beladen werden. Unmittelbar vor der Implantation wird das bereits mit Silber beschichtete, sterile Implantat in eine Lösung mit dem Antibiotikum getaucht. "In den präklinischen Studien haben wir gesehen, dass der ganze Vorgang nur wenige Minuten dauert und sehr einfach zu handhaben ist", sagt Wildemann. Nach dem Einsetzen von Hüft-, Knie- oder Schultergelenk wird das Antibiotikums im umliegenden Gewebe freigesetzt. Bakterien, die eine Infektion auslösen könnten, werden schnell abgetötet. Die Silberbeschichtung wirkt verzögert und wesentlich länger. Die Silberionen sind über mehrere Wochen aktiv und schützen während der Heilungsphase vor Infektionen.
Sowohl in Labortests mit humanen Knochenzellen als auch im Tiermodell wurden die Biokompatibilität und die Osteo-Integration, also das Einwachsen des Implantats in den Knochen, untersucht. "Eine Herausforderung bei der Entwicklung bestand beispielsweise darin, dass die Konzentration des Antibiotikums hoch genug ist, die Bakterien zu töten. Andererseits durfte sie nicht so hoch sein, dass die anwachsenden Knochenzellen geschädigt werden", erklärt Borcherding.
Die infolge der Laserbehandlung poröse Titanoberfläche lässt den Knochen noch besser einwachsen. Das bestätigt auch Prof. Wildemann: "Unsere Studie hat gezeigt, dass der Knochenkontakt durch die Oberflächenmodifikation gesteigert werden konnte: 89% Kontakt bei Implantaten mit der Hybrid-Beschichtung und nur 52% Knochenkontakt in der Kontrollgruppe. Zusätzlich konnten wir nachweisen, dass die Zellen in die amphorenförmigen Poren hineinwachsen und das Implantat dadurch deutlich besser fixieren".
Auch bereits verfügbare Produkte können beschichtet werden. Die Gespräche mit Herstellern werden in der letzten Phase des Projektes intensiviert, um die Anwendung der Technologie in naher Zukunft für PatientInnen zu ermöglichen.