Telematikinfrastruktur: Fluch oder Segen?

Digitalisierungsprozesse bringen für Mediziner einige Tücken mit sich. Auf der DGK 2023 wurden Kontroversen im Bereich der Umsetzung der Telematikinfrastruktur in Praxis und Klinik diskutiert.

Umsetzung der Telematikinfrastruktur für Arztpraxis und Klinik

Die Umsetzung der Telematikinfrastruktur (TI) in Arztpraxen und Kliniken bringt für einige Mediziner Tücken mit sich. Der Wunsch nach Digitalisierung medizinischer Daten von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit ist groß. Arztpraxen, die noch nicht an die TI angeschlossen sind, werden auf diese vertragsärztliche Pflichtverletzung durch die Kassenärztliche Vereinigung hingewiesen. Wer hier nicht mitkommt, der wird finanziell durch Honorarkürzungen bestraft. Aktuell kämpfen einige Ärzte mit Anschlussproblemen und ein noch erheblich größerer Teil mit Störungen der Telematikinfrastruktur.1

Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) spricht Prof. Dr. med. C. Zugck in der Sitzung des Tagespräsidenten die Unmet needs im Bereich des Versorgungsalltag, E-Health und künstliche Intelligenz an. Er geht auf die Kontroversen im Bereich der Umsetzung der Telematikinfrastruktur ein.

Das E-Health-Gesetz regelt die sichere Vernetzung im Gesundheitswesen

Unter dem Begriff E-Health werden Anwendungen zusammengefasst, die moderne Kommunikations- und Informationstechnologien zur Unterstützung im Bereich der Patientenversorgung nutzen. Darunterfallen sowohl die Patientenbetreuung als auch die Patientenbehandlung.2,3 Die elektronische Gesundheitskarte ist ein Beispiel für die Kommunikation medizinischer Daten. Diese umfassen z.B. den Medikationsplan, Notfalldaten, elektronische Rezepte und telemedizinische Anwendungen. Digitale Pflegeanwendungen und die elektronische Patientenakte zählen ebenso dazu.2,3 Auch der Einsatz von Gesundheitsapps fällt unter den Begriff E-Health. Gesetzlich geregelt wird die sichere Kommunikation digitalisierter medizinischer Daten über das E-Health-Gesetz.3 Dieses ist am 29.12.2015 in Kraft getreten.2 Das Bundesministerium für Gesundheit plant die Einführung digitaler Identitäten ab diesem Jahr. Auf diese Weise soll eine sichere Authentifizierung in Videosprechstunden oder für Digitale Gesundheitsanwendung möglich werden.3

Wie zufrieden sind Mediziner mit dem Digitalisierungsprozess der TI?

Die Umsetzung der Telematikinfrastruktur (TI) im klinischen Alltag ist nicht immer ganz so leicht. Zugck stellt eine Umfrage aus der Ärztezeitung vom 06.04.2023 zu den Erfahrungen mit der TI vor. Aus dieser geht hervor, dass in Kliniken rund 40 % der Ärzte mit dem Digitalisierungsgrad unzufrieden sind. In Praxen sind es mit 26,4 % deutlich weniger. Dies liegt aber zum einen daran, dass sich ein großer Teil (23 %) noch unklar über seine Zu- bzw. Unzufriedenheit zu diesem Thema ist. Zum anderen übertrifft die Zufriedenheit mit dem Digitalisierungsgrad ganz eindeutig die in den Kliniken (35 % versus 18 %). Zugck merkte in seinem Vortrag an, dass die angedrohten bzw. umgesetzten Honorarkürzungen in der Niederlassung sicher einen erheblichen Beitrag zu dem vermeintlichen Erfolg der Digitalisierung in der Niederlassung geleistet haben. Dies hat möglicherweise dazu geführt, dass die TI in den Praxen zwar installiert wurde, jedoch nicht im klinischen Alltag genutzt wird. Zahlen der KBV zufolge häufen sich die Störungen in der TI täglich und nehmen mit jedem Tag weiterhin massiv zu. So betrug die tägliche Fehlerhäufigkeit im Jahr 2020 28 %. Im letzten Jahr ist sie bereits auf 40 % angestiegen.2

Der Postbote (und das Fax-Gerät) als wichtigster medizinischer Datenübermittler im Jahr 2023

Die hohe Fehlerhäufigkeit der TI ist ein wichtiger Grund dafür, dass viele Ärzte weiterhin die altbewährten Kommunikationsstrategien "Brief und Fax" zur Datenübermittlung nutzen. So ist auch im Jahr 2023 der Datenaustausch eine analoge Sache. Rund 68 % der Kliniken und 73 % der Praxen nutzen die Papierform. 73 % der Kliniken und 77 % der Praxen bedienen sich weiterhin des Fax-Geräts. Auch die Zahlen für die Nutzung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) sind eher enttäuschend als rosig. Es stellt weiterhin die Ausnahme im klinischen Alltag dar. In der Niederlassung nutzen immerhin 8 % das E-Rezept. In den Kliniken sind es nur 4 %. Die derzeitige Nutzung der elektronischen Patientenakte liegt bei < 1 %. Bis zum Jahr 2024 soll die Nutzung der elektronischen Patientenakte jedoch verpflichtend werden. Wie das bis dahin bewerkstelligt werden soll stellt Zugck in Frage.2

eCardiology optimiert die Umsetzung der Digitalisierung in der Kardiologie voran

Die Digitalisierung im medizinischen Sektor biete neben diesen Tücken auch Chancen zur Weiterentwicklung, so Zugck. Das Beschreiten neuer Kommunikationswege bietet bisher noch ungeahnte Möglichkeiten. Die Gründung der eCardiology ist ein positives Beispiel der Umsetzung der Digitalisierung in der Kardiologie. Die DGK hat die "enormen Herausforderungen und das Potenzial der digitalen Medizin, die Prognose kardiovaskulärer Erkrankungen zu verbessern" erkannt. Im Positionspapier eCardiology wird das eCardiology-Programm genauestens erklärt. Zu den wichtigen Aspekten von Digital Health gehören:

eCardiology bietet damit einen "strukturierten Ansatz zur Förderung der digitalen Transformation in der Kardiologie".2

Versorgungrealität in der Kardiologie im Jahr 2023

Mittlerweile konnten Herzinsuffizienz-Netzwerke bzw. spezialisierte Strukturen von Seiten der DGK zertifiziert werden. Aktuell gibt es über 50 überregionale Herzinsuffizienz-Zentren in Deutschland. Zugck merkte an, dass trotz der Zertifizierung dieser Zentren es dennoch Limitationen geben würde. So sei das Überleitungsmanagement von Herzinsuffizienz-Patienten in Deutschland weiterhin ein großes Problem. Auch an der Kommunikation zwischen den weiterbetreuenden Leistungsbringern würde es noch hapern. Ebenso bedürfte die zeitnahe Anbindung an Hausarzt und Kardiologen einer Verbesserung. Die Implementierung telemedizinischer Netzwerke innerhalb dieser Strukturen müsste weiter vorangetrieben werden.2

Telemonitoring bei Herzinsuffizienz

Das Telemonitoring beinhaltet "ein datengestütztes, zeitnahes Management, das grundsätzlich in Zusammenarbeit zwischen einer primär behandelnden Ärztin oder einem primär behandelnden Arzt (PBA) und einem ärztlichen telemedizinischen Zentrum (TMZ) erfolgt." Laut G-BA Beschluss vom 17.12.2020 sollen zur Umsetzung des Telemonitoring "kardiale Aggregate oder externe Messgeräte" genutzt werden. Zugck stellte dem Auditorium zum Schluss seines Vortrages verschiedene Devices zum Telemonitoring vor:

Referenzen:

  1. https://www.medical-tribune.de/praxis-und-wirtschaft/praxismanagement/artikel/zwischen-fristverlaengerung-musterprozessen-und-verzweiflung
  2. Zugck, Christian, Prof. Dr. med., Unmet needs: Versorgungsalltag, E-Health und künstliche Intelligenz, Herzinsuffizienz, Sitzung des Tagungspräsidenten, Leitlinie Herzinsuffizienz 2021: Wissen wir es heute besser? Vorsitz: Böhm, Manfred, Prof. Dr. med. (Homburg/Saar), Hasenfuß, Gerd, Prof. Dr. med. (Göttingen), 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 17:05 Uhr, 13. April 2023.
  3. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/e-health.html
  4. Meder B. et al. (2023). eCardiology: ein strukturierter Ansatz zur Förderung der digitalen Transformation in der Kardiologie. 
    Kardiologie 17, 12–26 (2023).
  5. https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4648/2020-12-17_MVV-RL_Telemonitoring-Herzinsuffizienz_BAnz.pdf