Gentherapie Seltener Erkrankungen: Wo stehen wir aktuell?
Aktuell gibt es nur für einige hundert der rund 7.000 seltenen Erkrankungen eine zugelassene Behandlungsmöglichkeit. Gentherapien nehmen dabei eine besondere Rolle ein, doch wie weit ist die Forschung?
Was sind Gentherapien?
Bei der Gentherapie handelt es sich um eine medizinische Behandlungsmethode, bei der das genetische Material der betroffenen Person verändert wird. Gentherapien bieten die Chance auf eine langfristige Verbesserung der Funktionsweise des Körpers und damit auch auf mehr Lebensqualität. Einige Gentherapien wurden bereits zur Behandlung seltener Erkrankungen zugelassen. Andere wiederum werden noch in klinischen Studien auf Wirksamkeit und Sicherheit hin geprüft. Bei einer erfolgreichen Gentherapie würde nur eine einzige Dosis ausreichen, um eine lebenslange Besserung zu bewirken. So lautet auf jeden Fall die Wunschprämisse an die Gentherapie.1,2
Den aktuell in der Entwicklung befindlichen Technologien liegen folgende Mechanismen zugrunde:
- Kompendium der analytischen und bioanalytischen Standardmethoden
- Zellsuspensionstechnologie
- Geräte zur Verabreichung therapeutischer Vektoren an das ZNS (Zentralnervensystem)
- Technologie zur Zellpotenzierung
- Plug-and-play-Herstellungsverfahren für AAV-Serotypen (Adeno-assoziierte Viren)
- Plattformvektoren zur Verabreichung von Transgengruppen an Zielgewebe1
Für welche Seltenen Erkrankungen existieren bereits Gentherapien?
Für einige seltene Erkrankungen wurden bereits erfolgreich Gentherapien entwickelt und eingesetzt. Hierzu gehören die Hämophilie, die metachromatische Leukodystrophie, eine bestimmte Form der spinalen Muskelatrophie und die Retinitis pigmentosa.
Entwicklung der Gentherapie bei Mukoviszidose auf DNA-Ebene
Bei der Mukoviszidose ist "die Gentherapie bisher noch nicht geglückt". Die Forschung arbeitet jedoch bereits an der Modulation des CFTR-Kanals und auch an der Reparatur des CFTR-Gens. Unterschiedliche weitere Methoden stehen bereits in der Pipeline. Hierzu zählen:
- Krystal Bio: Klinische Phase 1 Studie mit KB407 (das CFTR-Gen wurde in Herpes simplex Virus verpackt).
- Die 4DMT: Hierbei handelt es sich um eine inhalative Gentherapie mit 4D-710 (das CFTR-Gen wurde in ein Adenovirus verpackt). Die Rekrutierung für die klinische Studie läuft bereits. Das Ende ist für das Jahr 2025 geplant.
- Boehringer Ingelheim: In der präklinischen Entwicklung befindet sich auch BI 3720931 (das CFTR-Gen wurde in Lenti-Virus verpackt).
- Spirovant: diese inhalative Gentherapie bedient sich SPIRO-2101 (das CFTR-Gen wurde in Adenovirus verpackt). Dieser Forschungsansatz befindet sich bereits in der späten präklinischen Entwicklungsphase.3,4
Entwicklung der Gentherapie bei Mukoviszidose auf RNA-Ebene
- Vertex/Moderna: Diese mRNA-Therapie befindet sich noch in der frühen präklinischen Phase.
- Arcturus Therapeutics: Diese inhalative mRNA-Therapie befindet sich bereits in der späten präklinischen Entwicklungsphase.
- Translate Bio (MRT5005): Diese Behandlungsoption wird bereits in einer Phase 1-Studie geprüft.
- ReCode Therapeutics: Diese inhalative mRNA-Therapie befindet sich bereits in der späten präklinischen Entwicklungsphase.
- Eloxx Pharmaceuticals: ELX-002 soll gegen fehlerhafte Stopp-Mutationen auf der Gen-Kopie wirken. Dadurch kann das CFTR-Protein hergestellt werden, auch wenn Fehler im Genom vorhanden sind. Die RNA wird in diesem Fall überlesen.
- SpliSense: Durch den Einsatz von Antisense-Oligonukleotiden sollen Stopp- und Spleiß-Mutationen aufgehalten werden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass keine Vektoren benötigt werden. Klinische Studien mit SPL84 und SPL23 sind bereits in Planung. Das Ziel wäre eine 14-tägige Inhalationstherapie zur Behandlung der Mukoviszidose.3,4
Welche Gentherapien wurden in Deutschland bereits zugelassen?
Die Zulassung von Gentherapie-Behandlungen erfolgt durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland und das Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in der Europäischen Union. Bisher wurden folgende Gentherapeutika in Deutschland zugelassen:
Roctavian (Valoctocogene Roxaparvovec)
Am 17.06.2022 wurde das erste Gentherapeutikum für Hämophilie A zugelassen. Es erhielt eine bedingte Zulassung zur Behandlung von Erwachsenen mit schwerer Hämophilie A.5
Libmeldy
Libmeldy wurde für die Behandlung Kindern mit metachromatischer Leukodystrophie (MLD) zugelassen. Voraussetzung ist, dass es keine klinische Manifestation der Erkrankung bei den Kindern gibt und eine Verringerung der enzymatischen Aktivität von Arylsulfatase A (ARSA) im späten Säuglings- oder frühen Kindesalter aufgetreten ist. Eine weitere Voraussetzung ist eine Mutation in beiden Allelen des Gens für ARSA.6
Luxturna (Voretigen Neparvovec)
Luxturna wurde für Kinder und Erwachsene mit Retinitis pigmentosa zugelassen. Luxturna kann nur dann eingesetzt werden, wenn die Patienten noch genügend funktionierende Zellen in der Netzhaut besitzen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Krankheit durch Mutationen im Gen RPE65 verursacht wird.7
Zolgensma (Onasemnogene abeparvovec)
Zolgensma ist ein Gentherapeutikum zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie. Hierbei handelt es sich um eine schwere Nervenerkrankung, die zu Muskelschwund und -schwäche führt. Die Therapie ist für diejenigen Patienten zugelassen, bei denen eine vererbte Mutationen in den Genen SMN1 oder SMN2 bekannt vorhanden sind: SMA Typ 1 (die schwerste Form) oder Vorhandensein von bis zu drei Kopien des SMN2-Gens.8
- https://ncats.nih.gov/trnd/projects/gene-therapy
- https://rarediseases.org/gene-therapy/
- https://www.muko.info/informieren/ueber-die-erkrankung/therapien-in-der-entwicklung/gentherapie
- https://www.muko.info/einzelansicht/ecfc-2022-gentherapie-bei-mukoviszidose
- https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2022/220624-gentherapeutikum-haemophilie-a-roctavian-zulassungsempfehlung.html
- https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/libmeldy-epar-product-information_de.pdf
- https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/luxturna
- https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/zolgensma
Rare Disease Day
Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.