Nachlese vom Dermatologie-Kongress der EADV 2022
Sonnenschäden, Alopezie, Psoriasis: Das sind nur drei der spannenden Themen des Kongresses. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der neuesten Studienergebnisse zum größten Organ des Menschen.
Mehrheit sieht Sonnenbräune als "gesund" an
Eine internationale Umfrage mit über 17.000 Teilnehmenden brachte zutage, dass die Mehrheit der medizinischen Laien zahlreichen Mythen bezüglich der Sonnenexposition Glauben schenkt. Präventionskampagnen rund um das Thema scheinen demnach relativ erfolglos zu sein: 8 von 10 europäischen Befragten empfinden Bräune attraktiv, 73 % sehen eine gebräunte Haut als "gesund" an. Zwar zeigten sich außereuropäisch Wohnende etwas weniger sonnenbegeistert, trotzdem halten 67 % Bräune für attraktiv und 59 % für "gesund".
Selbst diejenigen, die aufgrund vorangegangener Hautkrebserkrankungen, präkanzerösen Läsionen, Photodermatosen oder der Einnahme von immunsuppressiven bzw. photosensibilisierenden Medikamenten zur potenziellen Risikogruppe gehören, waren nicht sonderlich empfänglich für Präventions- und Informationskampagnen. Zwar wies diese Gruppe ein höheres Bewusstsein für die von der Sonne ausgehenden Gefahren auf, allerdings gaben selbst in dieser Gruppe 59 % an, sich nicht vorstellen zu können, ohne Sonnenbräune aus dem Urlaub zurückzukehren (verglichen zu 48 % innerhalb der Gruppe ohne Vorerkrankungen).
"Diese Untersuchung zeigt, wie sehr sich der Mythos der "gesunden" Bräune verfestigt hat - selbst bei denjenigen, die bereits Sonnenschäden erlitten oder Hautkrebs entwickelt haben", erklärte der leitende Forscher Prof. Dr. Thierry Passeron (Universität Côte d'Azur, Frankreich) auf der EADV-Pressekonferenz.1
Lediglich 10% der europäischen Befragten nutzen routinemäßig alle Formen des Sonnenschutzes (das Auftragen von Sonnenschutzmitteln, den Aufenthalt im Schatten, das Tragen einer Kopfbedeckung), gegenüber 14 % der außereuropäischen Bevölkerung.
Psoriasis im Genitalbereich gleich sexuelle Dysfunktion?
Eine auf dem EADV-Kongress vorgestellte Befragung mit über 800 Teilnehmenden ergab, dass fast die Hälfte aller Psoriasis-Betroffenen an psoriatischen Läsionen im Genitalbereich und anderen Bereichen von sexuellem Interesse (ASI) leiden.
Die Prävalenz der Genitalpsoriasis (GenPsO) oder der Psoriasis (PsO) der ASI bei Personen, die bereits die Diagnose PsO erhalten haben, liegt zwischen 17 % und 64 %. Dr. Toni Klein (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Deutschland) untersuchte die Prävalenz der GenPsO und deren Auswirkungen auf das Sexualleben der Betroffenen genauer.2
Zu den Ergebnissen: Während der letzten 24 Monate trat bei einem Fünftel der Befragten eine GenPsO auf, bei fast der Hälfte eine PsO an einem beliebigen ASI. Beide Ausprägungen hatten einen deutlichen Einfluss auf die sexuelle Funktion: Innerhalb der letzten 30 Tage litt die Mehrheit der Betroffenen an sexuellen Beeinträchtigungen. 12,8 % verzichteten daher komplett auf Sex. Trotz der Einschränkungen berichtete lediglich ein Viertel dieser Patientinnen und Patienten ihrem behandelnden Dermatologen von diesen einschneidenden Auswirkungen.
Dr. med. Klein und sein Forschungsteam schließen aus den Ergebnissen, dass sich Dermatologinnen und Dermatologen der hohen Prävalenz von GenPsO bewusst sein sollten. Bei Untersuchungen bedeutet das ganz konkret, den Genitalbereich nicht außen vor zu lassen, da die Psoriasis, auch in diesem Bereich, die Lebensqualität deutlich mindert und zu sexueller Funktionsstörung führen kann.
Alopecia Areata: JAK3/TEC-Blockade führt zu langfristiger Verbesserung
Dr. med. Athanasios Tsianakas (Fachklinik Bad Bentheim, Deutschland) präsentierte die ersten Langzeitergebnisse des JAK3/TEC-Kinasehemmers Ritlecitinib bei Alopecia Areata (AA).3 De-novo-Teilnehmende (≥ 12 Jahre alt, ≥ 25 % Kopfhaarausfall aufgrund von AA) der Studie ALLEGRO-LT (NCT04006457) erhielten die ersten vier Wochen 200 mg Ritlecitinib, einmal täglich (Induktionsdosis), woraufhin eine Erhaltungsdosis von 50 mg folgte. Auf dem EADV-Kongress wurden die Studienergebnisse der De-novo-Gruppe bis zum Monat 36 vorgestellt. Der Expositionsmedian lag bei etwa 17 Monaten.
Um die Wirksamkeit zu untersuchen, wurde der Anteil der Teilnehmenden ausgewertet, die im SALT-Score (Severity Alopecia Tool), einem globalen Schweregrad-Score, einen Haarausfall von maximal 20 % aufwiesen. "Wir können sehen, dass die Kurve bis zu einem Jahr schön ansteigt und dann konstant bei etwa 70 % bleibt", erläuterte Prof. Dr. Tsianakas.3 Die strengeren SALT-10-Ergebnisse pendelten sich nach einem Jahr etwa bei 56 % ein. Diese Zahlen spiegelten sich in den positiven Ergebnissen wider, über die Teilnehmenden berichteten. Die Mehrheit der Untersuchten verbesserte ihre Patient Global Impression of Clinical Status Score (PGI-C): Bereits nach fünf Monaten waren 57 % der Teilnehmenden der Ansicht, dass sich ihr Haarwuchs mäßig oder stark verbessert hatte, bis Monat 24 stieg dieser Prozentsatz auf etwa 78 %.
Bei 78 % traten unerwünschte Ereignisse auf, von denen 94,6 % einen leichten bis mittleren Schweregrad aufwiesen - zumeist handelte es sich um Kopfschmerzen, einen positiven SARS-CoV-2-Test und Akne. Allerdings ließen sich darunter keine opportunistischen Infektionen nachweisen, ebenso wurden keine klinisch relevanten mittleren Veränderungen der hämatologischen Parameter im Vergleich zum Ausgangswert beobachtet.
- Passeron T, et al. Sun exposure and associated risks in 17 countries: results from Europe compared to other continents. Abstract No 129, EADV Congress 2022, Milan, Italy, 7–10. September.
- Klein TM, et al. Epidemiological Survey on the Prevalence of Genital Psoriasis and Its Impact on Patients' Sexual Life in Routine Care. E poster: P1564, Abstract No 1735, EADV Congress 2022, Milan, Italy, 7–10 September.
- Tsianakas A. Long-term safety and efficacy of ritlecitinib in adults and adolescents with alopecia areata: interim results from the ALLEGRO-LT phase 3, open-label trial. D3T01.1G, EADV Congress 2022, Milan, Italy, 7–10 September.