Geschlechtsunterschiede bei Asthma
Das Geschlecht beeinflusst, wie sich Asthma klinisch manifestiert. Dieser Faktor muss in der routinemäßigen klinischen Praxis und in künftigen Studien berücksichtigt werden. Insbesondere bei Studien, die sich mit der pharmakologischen Behandlung befassen.
Asthma betrifft weltweit über 260 Millionen Menschen
Asthma ist eine komplexe Atemwegserkrankung, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind. Die Erkrankung äußert sich bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich. Das Verständnis dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede ist für die Optimierung der Behandlung und die Verbesserung der Patientenergebnisse von entscheidender Bedeutung. Die ATLANTIS-Studie (Assessment of Small Airways Involvement in Asthma) bietet wertvolle Erkenntnisse darüber, wie das Geschlecht die Asthmakontrolle, die Lungenfunktion und Exazerbationen beeinflusst. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen den Bedarf an maßgeschneiderten klinischen Ansätzen, die die besonderen Merkmale von Asthma bei männlichen und weiblichen Patienten berücksichtigen.
Die ATLANTIS-Studie
Die ATLANTIS-Studie (DOI: 10.1136/bmjresp-2024-002316) ist eine umfassende Beobachtungs-Kohortenstudie, an der 773 Asthmapatienten aus neun Ländern (Australien, Kanada, China, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich) teilnahmen.Das Hauptziel war, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Asthmakontrolle, Lungenfunktion und Exazerbationen zu untersuchen, mit besonderem Augenmerk auf die kleinen Atemwege. Frühere Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Asthma bieten oft keine umfassende klinische Charakterisierung oder decken nicht die verschiedenen Schweregrade von Asthma ab. Zudem berücksichtigen sie häufig nicht das Vorhandensein und Ausmaß einer Funktionsstörung der kleinen Atemwege (SAD). Das Ziel dieser Post-hoc-Studie war es, sowohl die Funktion der großen als auch der kleinen Atemwege zu berücksichtigen.
Durch diesen umfassenden Ansatz unterscheidet sich ATLANTIS von früheren Untersuchungen und bietet ein differenzierteres Verständnis dafür, wie sich Asthma bei Männern und Frauen unterschiedlich darstellt.
Weibliche Asthmapatienten weisen eine schlechtere Krankheitskontrolle auf
Die Studie ergab, dass Frauen im Vergleich zu Männern eine deutlich schlechtere Asthmakontrolle aufweisen. Dies zeigte sich in höheren Punktzahlen im Fragebogen zur Asthmakontrolle (ACQ-6), was auf größere Schwierigkeiten bei der Symptomkontrolle hindeutet. Zudem wurden bei Frauen häufiger höhere Behandlungsstufen gemäß der Globalen Initiative für Asthma (GINA) festgestellt, was auf eine schwerere Erkrankung und den Bedarf an intensiverer Therapie hindeutet. Diese Unterschiede könnten durch hormonelle Faktoren, Unterschiede bei der Entzündung der Atemwege oder eine unterschiedliche Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung bedingt sein.
Hinsichtlich der Lungenfunktion zeigten die Männer eine stärkere Atemwegsobstruktion, was sich in einem niedrigen Verhältnis von forciertem Ausatmungsvolumen in einer Sekunde (FEV1) zur forcierten Vitalkapazität (FVC) widerspiegelte. Dies deutet darauf hin, dass eine Funktionsstörung der großen Atemwege bei Männern eine größere Rolle spielen könnte. Umgekehrt wiesen Frauen einen höheren Atemwegswiderstand auf, insbesondere in den kleinen Atemwegen, wie mit der Impulsoszillometrie gemessen wurde. Die Dysfunktion der kleinen Atemwege, die zunehmend als kritische Komponente des Schweregrades von Asthma bei Frauen erkannt wird, könnte mit anatomischen Unterschieden oder Variationen in der Entzündungsreaktion zusammenhängen.
Ein besonders wichtiges Ergebnis war das höhere Risiko von Asthmaexazerbationen bei Frauen, unabhängig von Faktoren wie der GINA-Stufe und dem Eosinophilenspiegel im Blut. Asthmaexazerbationen, die durch eine akute Verschlechterung der Symptome gekennzeichnet sind, geben Anlass zu großer Sorge, da sie mit einer erhöhten Morbidität und höheren Kosten im Gesundheitswesen einhergehen. Die Studie deutet darauf hin, dass weibliche Patienten von einem proaktiveren Management zur Verhinderung von Exazerbationen profitieren könnten, einschließlich einer genaueren Überwachung und möglicherweise einem früheren Eingreifen.
Geschlechtsspezifische Behandlungsstrategien
Die Ergebnisse der ATLANTIS-Studie haben bedeutende Auswirkungen auf die klinische Praxis. Die festgestellten Unterschiede in der Asthmakontrolle und Lungenfunktion zwischen Männern und Frauen betonen den potenziellen Nutzen geschlechtsspezifischer Behandlungsstrategien. Angesichts der höheren Prävalenz von Funktionsstörungen der kleinen Atemwege bei Frauen könnten Kliniker beispielsweise Therapien in Erwägung ziehen, die gezielt auf diese Atemwege wirken, wie z.B. feinpartikuläre inhalative Kortikosteroide. Männer, die häufiger zu einer Obstruktion der großen Atemwege neigen, könnten hingegen von Strategien profitieren, die auf Bronchodilatation abzielen.
Das erhöhte Risiko von Exazerbationen bei Frauen erfordert einen intensiven Behandlungsansatz. Dazu könnten eine häufigere Überwachung der Lungenfunktion, ein frühzeitiges Eingreifen bei Symptomverschlechterung und eine verstärkte Aufklärung der Patienten über die Bedeutung der Therapietreue gehören. Durch die Personalisierung des Asthmamanagements basierend auf geschlechtsspezifischen Merkmalen können Gesundheitsdienstleister die Krankheitskontrolle verbessern und die Häufigkeit von Exazerbationen verringern.
Die ATLANTIS-Studie hebt entscheidende Geschlechtsunterschiede bei Asthma hervor, die in der klinischen Praxis berücksichtigt werden sollten. Durch die Einführung geschlechtsspezifischer Behandlungsstrategien können Kliniker die Therapie besser auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten abstimmen und letztlich die Behandlungsergebnisse für Asthmapatienten verbessern.
- Kole TM, Muiser S, Kraft M, Siddiqui S, Fabbri LM, Rabe KF, Papi A, Brightling C, Singh D, van der Molen T, Nawijn MC, Kerstjens HAM, van den Berge M. Sex differences in asthma control, lung function and exacerbations: the ATLANTIS study. BMJ Open Respir Res. 2024 Jun 19;11(1):e002316. doi: 10.1136/bmjresp-2024-002316. PMID: 38901877; PMCID: PMC11191767.