Insgesamt sind in Deutschland etwa 32.500 Kinder und Jugendliche von Typ1-Diabetes betroffen, die nach dem 18. Lebensjahr ihren Arzt wechseln müssen. In dieser Phase, so Neu, seien junge Menschen mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert: Ablösung von den Eltern, Identitätsfindung, Partnersuche, Berufsausbildung und künftige Lebensgestaltung. Gerade in dieser vulnerablen Phase könne das Selbstmanagement von Diabetes erheblich leiden. Notwendig sei es, die Betroffenen gerade in der Transitionsphase intensiv in ihrem Umgang mit der Krankheit zu schulen und sie auf neue Herausforderungen vorzubereiten: Umgang mit Alkohol, Führerschein, Reisen und Sport. Seine Forderungen an Politik und Gesellschaft hatte Neu bereits beim DDG-Kongress 2022 zusammengetragen.
Zwar gebe es gut ausgestattete Zentren für die Betreuung gerade dieser Zielgruppe – die Betroffenen selbst wünschen sich jedoch eine wohnortnahe Versorgung. Und die sei heterogen und lückenhaft, so Neu. Er plädiert dafür, in der jetzigen Versorgung mit den Altersgrenzen (18/21 Jahre) flexibel umzugehen und auch die Abrechnungsbedingungen für notwendige Leistungen besser auf die individuellen Bedürfnisse zu adaptieren. Auf die Dauer sei eine gezielte und nachhaltige Nachwuchsförderung in der Diabeteologie erforderlich, die DDG selbst bietet dazu Weiterbildungs- und Promotionsstipendien an.
Beachtet werden müsse in der Praxis auch, dass Kinder und Jugendliche mit Typ1-Diabetes zu einem wesentlich höheren Anteil automatisierte Insulindosierungssysteme erhalten (bei Kindern bis zu sechs Jahren sind es 90 Prozent), bei Erwachsenen liegt der Anteil nur bei 20 bis 30 Prozent.
Bereits früher hatten die beiden Fachgesellschaften auf die wachsenden Defizite in den Krankenhäusern und in der Universitätsmedizin aufmerksam: Während fast jeder fünfte Krankheitspatient die Nebendiagnose Diabetes habe, sei die Zahl der Betten für Endokrinologie und Diabetologie zwischen 1991 und 2017 um 45 Prozent gesunken, so Professor Michael Roden vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf. Die Zahl der bettenführenden klinischen Lehrstühle habe zwischen 2000 und 2021 sogar um 60 Prozent abgenommen; derzeit existierten nur noch sieben eigenständige Kliniken für Endokrinologie und Diabetologie an den deutschen Medizin-Universitäten.
Ursächlich dafür sei neben klaren strukturellen Zielsetzungen auch die Vergütungsstruktur, die interventionelle Fächer begünstige, die primär auf Beratung und Betreuung fokussierte Versorgung von Diabetikern benachteilige. Die Ausdünnung der universitären Strukturen gefährde die Ausbildung diabetologischen Nachwuchses und langfristig auch die Forschung in einem Fachgebiet, in dem Deutschland in der Vergangenheit international wettbewerbsfähig gewesen sei.
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