Fortschritte in der Transfusionsmedizin und Zelltherapie: Neue Ansätze und Herausforderungen

Digitalisierung, künstliche Intelligenz (KI) und moderne Zelltherapien revolutionieren das Blutproduktemanagement und erweitern die Behandlungsmöglichkeiten bei Krebs und anderen schweren Erkrankungen.

Digitalisierung und KI in der Transfusionsmedizin

Die Einführung von künstlicher Intelligenz (KI) im Blutproduktemanagement ist ein bedeutender Schritt, um den Bedarf präziser vorherzusagen und Bestände effizienter zu verwalten. In Deutschland werden täglich etwa 15.000 Blutkonserven benötigt, deren Verfügbarkeit von Spendenbereitschaft und Haltbarkeit abhängt. Regionale Verbrauchsschwankungen und der demografische Wandel stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Der Verfall von Blutkonserven sollte vermieden werden, es sollte eine Prognose bestehen wann, wo welche Blutkonserven gebraucht werden.

Das digitale Logistikmanagement-Tool AutoPiLoT, entwickelt am Universitätsklinikum Essen, setzt auf maschinelles Lernen. Auch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Blutgruppen-Register ReMeDi:Blut nutzt diese Technologie. Diese Tools überwachen nicht nur den Bestand in Echtzeit, sondern kategorisieren die Blutgruppen präzise. Im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts werden Blutprodukte zudem molekulargenetischen Blutgruppenbestimmungen unterzogen. Moderne diagnostische Verfahren ermöglichen es, deutlich mehr Blutgruppenantigene zu bestimmen und diese bei der Zuteilung der Blutprodukte zu berücksichtigen. Dabei soll durch die Integration von Krankenhausdaten, wie Diagnosen, geplante Operationen und Medikation, zukünftige Bedarfe besser prognostiziert und Engpässe vermieden werden.

Telemedizinische Blutspende: Möglichkeiten und Grenzen

Seit der Gesetzesänderung im Mai 2023 sind Blut- und Plasmaspenden unter bestimmten Bedingungen ohne die physische Anwesenheit von Ärzten möglich. Es wurde jedoch die Bedeutung ärztlicher Überwachung betont, um das Vertrauen in die Sicherheit der Blutspende aufrechtzuerhalten. Komplikationen sind selten, aber möglich, weshalb der Einsatz  weniger qualifizierten Personals kritisch gesehen wird. Vor Ort kann der Arzt Gefahren wie blaue Lippen leichter erkennen und besser einschätzen. Auch lassen sich sensible Themen direkt und diskret besprechen.

Obwohl telemedizinische Ansätze viel Potenzial bieten, wurde davor gewarnt, dass sie die sinkenden Spenderzahlen und den steigenden Bedarf aufgrund des demografischen Wandels nicht allein bewältigen können. Vertrauen und höchste Sicherheitsstandards sind entscheidend für die Blutversorgung in Deutschland.

Fortschritte der CAR-T-Zelltherapie

Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz war die CAR-T-Zelltherapie, die sich als bahnbrechender Ansatz in der Krebsbehandlung etabliert hat. Bei dieser Therapie werden T-Zellen von Patienten gentechnisch so verändert, dass sie Krebszellen erkennen und zerstören können. Besonders bei lymphatischen Erkrankungen wie der chronischen lymphatischen Leukämie zeigt die Therapie vielversprechende Ergebnisse. Während anfangs nur etwa 25–30 % der Patienten auf die Behandlung ansprachen, liegt die Erfolgsrate mittlerweile bei über 50 %. Obwohl die Therapie teuer und komplex bleibt, arbeiten Forschende an Verbesserungen wie der Verkürzung der Herstellungszeit von CAR-T-Zellen. Zudem werden neue Varianten entwickelt, wie “Allo-CAR”-T-Zellen, die von gesunden Spendern stammen und als “off-the-shelf“-Produkte schneller verfügbar sind. „Tandem-CAR”-T-Zellen, hingegen können mehrere Antigene gleichzeitig erkennen, was ihre Wirksamkeit weiter steigern soll. Zusätzlich bringen “TRUCKS”-CAR-T-Zellen, welche ihre eigene Überlebensumgebung schaffen, großes Potential. 

Stammzelltransplantationen: Moderne Diagnostik 

Die allogene Stammzelltransplantation bleibt bei bestimmten Leukämien die einzige Therapieoption. 2023 wurde in Deutschland mit 3.566 allogenen Transplantationen ein neuer Höchststand erreicht. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Therapie ist die Gewebeverträglichkeit zwischen Spender und Empfänger, die durch die Analyse der humanen Leukozyten-Antigene (HLA) bestimmt wird. Dank moderner Diagnostikmethoden wie der Next-Generation-Sequenzierung (NGS) können diese Gewebemerkmale heute schneller und genauer analysiert werden. Die Zusammenarbeit mit dem Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) erleichtert die Suche nach passenden Spendern, insbesondere bei nicht verwandten Spenden.

Organspende: Widerspruchslösung als möglicher Weg

Ein weiteres zentrales Thema war die Debatte über die Einführung der Widerspruchslösung für Organspenden in Deutschland. Derzeit warten etwa 9.000 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Trotz des medizinischen Fortschritts und der verbesserten Transplantationstechniken gibt es weiterhin einen erheblichen Mangel an Spenderorganen. In Ländern wie Spanien und Österreich, wo die Widerspruchslösung gilt, sind die Wartezeiten deutlich kürzer als in Deutschland, wo derzeit die Zustimmungslösung besteht. Die Widerspruchslösung würde die Organspende automatisch zulassen, es sei denn, die betroffene Person hat ausdrücklich widersprochen. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Immungenetik (DGI) unterstützen diese Lösung, um die Anzahl der Organspenden zu erhöhen und die Wartezeiten für die Patientinnen und Patienten zu verkürzen.

Referenz:

  1. Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), Pressekonferenz zur 57. Jahrestagung, September 2024.